Porträt: Die Hüter der Kraftwerke

Marco Heinzer sorgt für funktionierende Kraftwerke – und die richtige Menge Strom.

Kurz vor halb sieben Uhr am Morgen schwingt sich Marco Heinzer zu Hause in Illgau auf sein Velo. Sein Arbeitsweg führt ihn durch den Wald hinunter ins Tal. «So bin ich gleich schnell wie mit dem Auto», sagt er, «und habe auch schon mein Training absolviert.» Nach der Abfahrt und einem Stück der Muota entlang trifft der 28-jährige Kraftwerksmitarbeiter von ebs dort ein, wo seine Arbeitstage in der Regel starten: in der Betriebszentrale Muotakraftwerke mitten in Muotathal.

Heute Vormittag ist er mit Sven Nauer unterwegs, dem Lernenden Fachmann Betriebsunterhalt. «Die Konstellation ist jeden Tag etwas anders», sagt Nauer. Je nach Aufgabe arbeite er mit anderen Teamkollegen zusammen. Etwas, was die beiden Männer an ihren Berufen besonders schätzen: «Wir erledigen viele verschiedene Arbeiten, fast kein Tag gleicht dem anderen. Eintönigkeit gibt es bei uns ganz, ganz selten.»

Vielseitige Aufgaben, steter Austausch: Marco Heinzer (links) bespricht auch zwischendurch anstehende Arbeiten im Team.

Schmelzwasser ist reineres Wasser

Zusammen fahren Heinzer und Nauer bis in den hintersten Teil des Bisistals. Der Rechen beim Ausgleichsbecken Sahliboden, der Äste und Steine von der Druckleitung fernhalten soll, muss gereinigt werden. «Im Frühling gibt das meistens nicht so viel zu tun. Schmelzwasser ist grundsätzlich ‹sauberes› Wasser», erklärt Marco Heinzer. «Dennoch ist es wichtig, die Rechen regelmässig zu reinigen, damit das Wasser ungehindert abfliessen kann.»

Der kleine See im Sahliboden liegt idyllisch am hinteren Ende des Bisistals. Etwas später im Jahr würde er vielleicht sogar zum Baden einladen. Der Lernende Sven Nauer weiss aber: «Es ist sehr gefährlich, in einer Wasserfassung zu baden. Der Sog, mit dem das Wasser in den Abfluss gezogen wird, ist unglaublich stark. Dagegen kommt man nicht an.» Marco Heinzer untermauert die Aussage des Lernenden auch gleich mit einem Vergleich: «Wenn weiter unten im Kraftwerk Wernisberg eine Turbine läuft, fliesst da pro Sekunde etwa eine Lastwagenladung Wasser durch.» Im Sahliboden sei es natürlich nicht ganz so viel, aber immer noch gefährlich.

Sowohl der See im Schlattli als auch jener im Sahliboden sind sogenannte Ausgleichsbecken. Marco Heinzer erklärt: «Nachdem das Wasser von der Glattalp und der Ruosalp in der Kraftwerkszentrale Sahli durch die Turbinen geflossen ist, läuft es ins Ausgleichsbecken.» Von dort fliesst es über einen Stollen und zwei parallele Druckleitungen ins weiter unten stehende nächste Kraftwerk. «Das Wasser kann so auf seinem Weg in den Vierwaldstättersee gleich mehrfach genutzt werden.» Insgesamt fünf ebs-Kraftwerke mit sieben Produktionsstufen stehen entlang der Muota und produzieren erneuerbaren Strom für über 57 000 Haushalte.

Marco Heinzer (rechts) und Sven Nauer reinigen den Rechen des Ausgleichsbeckens im Sahliboden.

Auf Tourenski zum nächsten Einsatz

In der Mittagspause geniessen die beiden ebs-Mitarbeiter die Frühlingssonne draussen. Das Sonnenbad ist aber nur kurz, für den Nachmittag steht einiges an: Auch der Rechen auf der Glattalp muss gereinigt werden. Die Herausforderung: Er liegt unter einer meterdicken Schneedecke. Der Lernende Sven Nauer kehrt derweil zurück in die Betriebszentrale, um in einem anderen Kraftwerk Unterhaltsarbeiten vorzunehmen. Mit der Seilbahn begeben sich Marco Heinzer und ein Teamkollege auf die zuhinterst im Muotatal gelegene Glattalp. Auf 1855 Meter über Meer angekommen, geht es auf Tourenski, bewaffnet mit Schaufel und Reinigungswerkzeug, weiter zum dortigen Glattalpsee. «Hier müssen wir graben, da ist der Rechen», ist sich Marco Heinzer sicher.

Auf der Glattalp herrscht noch der Winter

Drei Stunden schweisstreibendes Buddeln später und einige Meter tiefer zeigt sich: Er hatte recht. Gereinigt ist der Rechen in kurzer Zeit. «Wir machen das einmal im Jahr, immer im Spätfrühling, bevor hier oben die grosse Schneeschmelze beginnt», sagt Marco Heinzer. Während sich unten im Tal der Frühling von seiner besten Seite zeigt, herrschen oben auf der Glattalp noch winterliche Verhältnisse. Diese und das schöne Wetter heute nutzt der erfahrene Skitourengänger Marco Heinzer gleich für eine letzte Abfahrt in dieser Saison: Mit den Ski geht es retour bis ins Sahli.

Kurz vor Feierabend trifft sich das gesamte Kraftwerksteam in der Betriebszentrale in Muotathal. Die Männer tauschen sich aus und besprechen, welche Arbeiten anstehen. Doch zu Ende ist Marco Heinzers Arbeitstag noch nicht; er hat Betriebsdienst. «Ich bin jetzt für eine Woche für die Stromproduktion im gesamten ebs-Gebiet verantwortlich », erklärt er. Eine anspruchsvolle Aufgabe: Heinzer muss die Kraftwerke jederzeit so steuern, dass die richtige Menge Strom produziert wird. Weder zu wenig noch zu viel soll ins Stromnetz eingespeist werden. Parallel dazu muss er die Pegel aller Wasserfassungen im Auge behalten. «Jetzt im Frühling ist es meistens ruhig», sagt der ebs-Mitarbeiter. Im Sommer verändern sich mit den Gewittern die Wassermassen aber oftmals plötzlich. «Da kann es vorkommen, dass wir die Leistung einer Turbine hoch- oder runterfahren müssen, damit wir so viel Strom produzieren, wie wir angemeldet haben.»

Kraftwerke auch unterwegs im Blick

Bei seinen Entscheidungen kommt Marco Heinzer nicht nur seine Erfahrung im Beruf, sondern als Illgauer auch seine Kenntnisse der örtlichen Wetterverhältnisse zugute. Und dabei profitiert er heute Abend gleich doppelt, denn das Wetter kann er von seinem Zuhause auf über 800 Meter über Meer beobachten. Dank Internetzugang kann er von unterwegs die Kraftwerke überwachen und auch steuern. Heute Nacht aber dürfte das nicht notwendig sein, Gewitter zeigen sich keine am Abendhimmel.

Wenn Marco Heinzer Betriebsdienst hat, muss er stets die Wassermengen in den Kraftwerken im Auge behalten.

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