Porträt: Der Elektroingenieur als Wetterfrosch
Er programmiert, plant und ist handwerklich tätig: Lukas Steiner ist Fachspezialist Kraftwerkautomation bei ebs. Mit seiner Bachelorarbeit hat er den Grundstein für die Planung der Wasserstoffanlage gelegt.
Lukas Steiner ist seit sieben Uhr im Büro. Er weiss: Sein heutiger Arbeitstag wird einmal mehr interessant, aber auch herausfordernd. Die ebs-Kraftwerke sind auf seine Fachkenntnisse angewiesen, Maschinen und Wehranlagen wollen programmiert, optimiert und gewartet werden. Zudem hat Lukas Steiner heute Betriebsdienst – so wird die Aufgabe bezeichnet, bei welcher Kraftwerksmitarbeitende den Strombetrieb planen müssen. Steiner muss entscheiden, wie viel Leistung zu welcher Stunde erzeugt werden muss, um das Wasser effizient zu nutzen. So wird eine optimale Stromversorgung gewährleistet.
Diese Aufgabe ist dementsprechend anspruchsvoll, erfordert breites Wissen und Erfahrung. Bei ebs hängt die Stromproduk-tion hauptsächlich vom Wasser, zunehmend aber auch von der Sonne ab. Fliesst viel Wasser die Muota herunter, müssen alle Maschinen mit hoher Leistung fahren, um kein Wasser zu verschwenden. Fliesst wenig, werden die Maschinen auf geringere Leistung eingestellt. Bei der Photovoltaik ist es noch etwas komplizierter, diese Anlagen lassen sich nicht einstellen, Unregelmässigkeiten in der Produktion müssen daher miteinberechnet werden
Wetter-App als ständiger Begleiter
Bis 10 Uhr muss Lukas Steiner den «Fahrplan» für die folgenden zwei Tage der CKW AG mitteilen. Diese betreibt die nächsthöhere überregionale Ebene des Stromnetzes – und ist auf eine verlässliche Prognose angewiesen. Der nationale Wetterdienst MeteoSchweiz ist dabei für Lukas Steiner ständiger Begleiter. «Es ist schwierig, das Wetter genau vorherzusagen», erklärt der 29-Jährige. Deshalb habe er die Wetterprognose auf seinem Smartphone ständig eingeschaltet. «Wird es schattig, liefern die Photovoltaikanlagen von einem auf den anderen Moment weniger Energie. Kommt die Sonne wieder hervor, generiert dies sofort wieder mehr Energie.» Noch wichtiger aber sei die Niederschlagsprognose. «Die kann sich jederzeit wieder ändern.»
Als umso bedeutender erweist sich somit jenes Projekt von ebs, in welches Lukas Steiner ebenfalls involviert ist: die Entwicklung eines Algorithmus für die Produktionsplanung, welche Wetterdaten und Zuflussprognosen berücksichtigt. Damit soll noch besser vorhergesagt werden, wann welche Leistung notwendig ist, um optimal produzieren zu können.
Gerade für die Arbeit im Schwyzer Talkessel würde der Algorithmus eine Vereinfachung der Arbeitsprozesse bringen, ist Steiner überzeugt. «Das Wetter in unserer Region ist speziell: Im Sahli kann es regnen, in Muotathal merken wir davon nichts», erklärt er. Bei Gewittern gestalte sich die Vorhersage noch schwieriger. «Nicht jeder, der im Muotatal lebt oder arbeitet, hat einen Wetterfrosch auf Abruf verfügbar», fügt er lachend an.
Handwerkliche Arbeit erwünscht
Aber vorerst muss die Entwicklung des Betriebsalgorithmus warten – das Kraftwerk Sahli ruft. Ein Anlagenteil ist kaputt, weshalb die Maschine nicht gestartet werden kann. Lukas Steiner macht sich auf den Weg in den hinteren Teil des Bisistals. Vor Ort im Sahli prüft er, ob es an der Steuerung, an einem mechanischen Teil oder an einem elektromechanischen Teil liegt. «Das sind Aufgaben, die ich mag», sagt der Fachspezialist, «weil ich wieder mal handwerklich arbeiten kann, was in meiner Funktion nicht mehr so oft vorkommt.» Steiner hat letztes Jahr sein Studium zum Elektroingenieur abgeschlossen und verbringt seither mehr Zeit im Büro als davor – «was bei uns aber auch sehr abwechslungsreich ist», fügt er gleich an.
Nach der Reparatur im Kraftwerk Sahli darf sich Lukas Steiner auf weitere handwerkliche Arbeit freuen: Die Generatoranlage beim Glattalpsee, von wo das Wasser zum Kraftwerk Sahli geleitet wird, erhält bald einen neuen Steuerschrank. Den zu programmieren und zu verdrahten, steht in absehbarer Zeit ebenfalls auf seiner To-do-Liste. Doch vorerst geht es heute wieder zurück ans Tagesgeschäft.
In seinem Arbeitsalltag sticht momentan ein Projekt hervor, das ihn besonders begeistert: die von ebs geplante Anlage zur Wasserstoffproduktion (siehe Seite 10). Lukas Steiner ist überzeugt von der Stromspeicherung in Gasform – derart, dass er seine Bachelorarbeit dem Thema widmete. «Wasserstoff lässt sich in hoher Energiedichte speichern, braucht also nicht viel Platz», erklärt er. Ausserdem sei dessen Produktion standortunabhängig, man könne eine entsprechende Anlage fast überall hinstellen. «Die Anlage von ebs wird sich durchaus lohnen», ist er überzeugt.
«Eine schöne Bestätigung für meine Arbeit»
Diese Erkenntnis brachte er auch in seiner Bachelorarbeit hervor. Darin entwickelte Lukas Steiner für ebs ein Computermodell, das die Rentabilität sowie den Nutzen einer solchen Wasserstoffproduktionsanlage aufzeigt. Mit Erfolg: Die wirtschaftlichen Resultate seiner Bachelorarbeit hat ebs als Grundlage für die Projektierung der geplanten Anlage in Seewen hinzugezogen. Nicht verwunderlich also, dass Steiner ins Projekt involviert ist und den Betrieb der Anlage dereinst übernehmen soll. «Ich werde dann eine grosse Verantwortung haben», sagt Steiner. «Eine schöne Bestätigung für meine Bachelorarbeit.»
Bis es so weit ist, hat der Schwyzer noch alle Hände voll zu tun: beim Programmieren und Bauen von Steuerungen, bei der Behebung von Störungen in den ebs-Kraftwerken oder beim Planen der betriebsinternen Anlagen. Letzteres bewegt Lukas Steiner gleich dazu, sein Smartphone zu zücken: MeteoSchweiz sollte mal wieder konsultiert werden.